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OSKAR HEINROTH & MAGDALENA HEINROTH:

Die Segler (Cypselidae)

kommen in Mitteleuropa in einer Art, in Südeuropa in zwei Arten vor. Im übrigen sind sie über die ganze Erde mit Ausnahme der Polargegenden, Neuseelands und einiger ozeanischer Inseln verbreitet. Ganz einheitlich ist diese Familie nicht, da ja die Baumsegler (Macropteryx), die von Ceylon ab bis Papuasien verbreitet sind, eine Nester bauen und auf Zweigen sitzen können.

Die beiden Europäer, Vertreter der Gattung Apus (nach Hartert), nämlich der Mauer- und der Alpensegler, zeigen bis auf die Größe und Färbungsweise sehr viel Gemeinsames. Wie sämtliche Segler im engsten Sinne, haben sie merkwürdige Füße, bei denen die Zehen gewissermaßen strahlenförmig nach allen Seiten gestellt sind, sodaß die kräftig grapsenden, nadelspitzen Krallen einem gemeinsamen Mittelpunkte zustreben, die Vögel können also eigentümliche Fäustchen ballen. Ferner sind sie wohl so ziemlich die einzigen befiederten Wesen, die sich weder auf den Läufen aufrichten noch laufen, ja nicht einmal auf einem Gegenstande sitzen können. Sie schieben sich auf dem Boden kriechend dahin, vermögen also im wesentlichen nur zu hängen, zu liegen und zu fliegen; hängen sie aber an einer sehr rauhen senkrechten Fläche, so sind sie verhältnismäßig gut imstande, mit den Füßen abwechselnd weitergreifend, in die Höhe zu klettern. Die Bezeichnung Segler ist recht irreführend, denn wenn man, wie es üblich ist, unter Segeln ein Vorwärtstreiben ohne Eigenbewegung, nur durch einen Luftstrom, versteht, so tun die Segler grade das Gegenteil davon, d. h. sie schlagen nach Entenart ziemlich rasch mit den langen, spitzen Flügeln und schießen dann nur ab und zu ein Stück im Gleitfluge dahin; sie sind also keine Schwebeflieger, wie die meisten Raubvögel, Möwen, Sturmvögel, Pelikane, Störche, Kraniche u. a. Von einem eigentlichen Schwirrfluge, wie er den Kolibris eigen ist, bei denen man ja die Flügel wegen ihrer überaus schnellen Bewegung nicht oder fast gar nicht sieht, kann man aber auch nicht sprechen, denn selbst die doch auch hierher gehörenden, nur etwa 13 g schweren Salanganen (Collocalia) haben immer noch einen deutlich wahrnehmbaren Flügelschlag, wieviel mehr erst der stattliche amselgroße Alpensegler.

Der Laie nennt die Segler immer Schwalben, und auch der Eingeweihte neigt dazu, sie in diese Singvogelgruppe einzureihen. Es geht ihm wider den Strich, daß Vögel, die wegen ihrer gleichen Ernährungsweise in gleichlaufender Anpassung natürlich eine gewisse Ähnlichkeit angenommen haben, nicht verwandt sein, sondern sich stammesgeschichtlich aus ganz getrennten Ordnungen herleiten sollen. Die üblichen Tageszeitungen, selbst wenn sie nach ihrer Überschrift auch von "gelehrten Sachen" berichten wollen, versagen in diesem Punkte völlig, denn wenn sie verkünden, die Schwalben seien wieder da, so meinen sie immer die Mauersegler und in dieser Hinsicht unbelehrbar. Wer jemals eine Schwalbe und einen Segler in der Hand gehabt hat, wird sie nie wieder verwechseln, denn ihr Bau ähnelt sich zwar von ferne, bei nährer Betrachtung und namentlich beim Anfühlen aber gar nicht. Die Bezeichnung Mauer- oder Turmschwalbe trägt noch besonders zur Verwirrung bei und sollte endlich vermieden werden. Die mittelhochdeutsche Bezeichnung "Spire", deren Ursprung nach Suolahti nicht recht zu erklären ist, die aber wohl klangbildlich vom Seglerschrei abgeleitet werden kann, hat sich leider nicht erhalten, denn in ihr würde weder die irrige Behauptung des Segelns, noch die nicht vorhandne Schwalbenverwandtschaft zum Ausdrucke kommen. Vom Volk ist sie manchen Orts mißverstanden worden: es hat eine Bierschwalbe daraus gemacht.

Zusammenfassend seien hier die Hauptunterschiede zwischen Alpen- und Mauersegler einerseits und Ufer-, Mehl- und Rauchschwalbe andrerseits in aller Kürze angegeben. Die S c h w a l b e n bauen entweder Lehmnester an Wänden oder graben tiefe Röhren ins Erdreich. Ihre Jungen kriechen bedaunt aus dem Ei, wie z. B. die Fliegenschnäpper; mit mächtig entwickeltem, gelbem Sperr-Rachen heischen sie Nahrung und brauchen höchstens 20 Tage bis zum Ausfliegen. Die Gelegezahl ist stets mehr als drei, und gewöhnlich werden mehrere Bruten im Jahre gemacht. Alle können sitzen und auch etwas trippeln. Sie haben außer ihren gewöhnlichen Stimmlauten einen mehr oder weniger ausgebildeten Gesang, ferner immer 12 Steuerfedern und nur 9 Handschwingen, das Kleingefieder ist weich, die Haut ziemlich dünn. Die S e g 1 e r dagegen überkleistern eine vorhandne Unterlage mit dem Erzeugnis ihrer gegen die Brutzeit hin mächtig vergrößerten Speicheldrüsen; sie legen nur einmal jährlich zwei bis höchstens drei Eier, und die Jungen brauchen sechs Wochen, bis sie ausfliegen, die Vermehrung ist also sehr gering. Diese Kinder sind anfangs völlig nackt, haben keinen Sperr - Rachen und keine Randwülste an den Schnabelwinkeln, denn sie fassen offenbar auf Berührung hin den Schnabel und Vorderkopf des futternden Alten und lassen sich aus dem Kehlsacke der Eltern das Futter einwürgen, das dort zu Klumpen geballt, also nicht einzeln im Schnabel, herbeigetragen wird. Das Gefieder ist ziemlich derb und die Haut auffallend dick, was wohl mit den scharfen Kratzkrallen zusammenhängt, denn Vögel, die scharf beißen und mit spitzen Klauen kämpfen, haben als Schild ein derbes Fell, wie z. B. auch Krähen, Papageien und Raubvögel. Handschwingen und Steuerfedern sind je 10 vorhanden.

Der Mauersegler (Apus apus L.).

Die hiesige, sich über fast ganz Europa verbreitende Form, A. a. apus L., hat in Asien, in Afrika und auf den ihm benachbarten Inseln einige sehr ähnliche Unterarten. Der Flügel mißt 170 bis etwa 180, der Schwanz außen 72-78, innen 43-47 mm, das Gewicht des alten, mittelgenährten Vogels beträgt meist 43, das seines Eies 3,6 g; die Brutdauer wird mit 18-20 Tagen angegeben. Leider haben wir nie ein frisches Seglerei bekommen, sodaß wir nichts über die Dottergröße, über das Gewicht des neugebornen Jungen und über die Zeit, die es zu seiner Entwicklung im Ei braucht, aus eigner Erfahrung angeben können.

Der Mauersegler ist einer von denjenigen Vögeln, dessen Ankunft im Frühjahr am leichtesten zu bemerken ist, da er ja sofort über den Städten umherfliegt. Er trifft hier in Berlin gewöhnlich in den letzten April- oder ersten Maitagen ein und geht ungefähr um den 6.-8. August wieder weg, d. h. er ist ziemlich genau nur ein Vierteljahr in der Brutheimat. Daß er außer in Mauerlöchern auch in Nistkästen oder im Walde in Baumhöhlen geht, ist bekannt, ebenso, daß er dort bereits nistende andre Vögel vertreibt und ihre Nester, selbst wenn sie Eier oder kleine Junge enthalten, mit Speichel überkleistert. Bei seiner eigentümlichen Kampfesweise mit den ungemein spitzen und kräftigen Krallen sind ihm sogar fast doppelt so schwere Vögel wie er selbst, also z. B. Sta-re, gewöhnlich nicht gewachsen. Daß beide Geschlechter brüten und jahrelang in jedem Frühling immer wieder im selben Nest angetroffen werden können, hat die Beringung ergeben. Ob es sich dabei um Orts-Ehen handelt oder ob die beiden Gatten auch auf dem Zug und in der Winterherberge, die in Mittel- und Südafrika oder in Madagaskar liegen kann, zusammenbleiben, weiß man nicht. Merkwürdig ist, daß die Begattung nach Aussage zuverlässiger Beobachter im Fluge ausgeführt werden soll, ob aber immer und regelmäßig, erscheint uns fraglich, denn sonst müßte man doch öfters sich paarende Segler sehen. Vielleicht huldigen sie auch in ihrem versteckten Heim der Liebe.

Es vergeht wohl kein verregneter Juli oder Augustanfang, wo man nicht halbwüchsige, aus dem Neste gefallne Mauersegler gebracht bekäme, namentlich dann, wenn längre Zeit hindurch kaltes und nasses Wetter geherrscht hat, die Alten also für ihre Kinder keine oder nur viel zu knappe Nahrung erwerben konnten. In ihrer Verzweiflung krabbeln die Kleinen dann schließlich über den Nesteingang hinaus und fallen zu Boden. Viele verhungern und verklammen auch im Neste, ja selbst tote Alte kann man finden. Leider bewahrheitet sich also die zweite Hälfte des schönen Spruchs: "Sie säen nicht, sie ernten nicht, . . . und euer himmlischer Vater nähret sie doch", nicht nur an sehr vielen ändern, sondern besonders oft auch an diesen Vögeln nicht. Die geringe Zahl von durchschnittlich nur zwei Nachkommen im Jahre spricht dafür, daß diese schneidigen Flieger auf der Wanderschaft und in ihrer Winterherberge wenig Feinde haben. U t t e n d ö r f e r zählte unter seinen 10 000 Raubvogelrupfungen nur 6 Stück; später fand er noch etwas mehr, wobei es sich ergab, daß nicht nur der Baum-, sondern auch der Wanderfalk häufiger Segler schlägt, als man bisher glaubte, und zwar scheint es sich dabei durchaus nicht immer nur um junge oder matte zu handeln.

Die Aufzucht dieser Vögel ist nicht jedermanns Sache. Genaures darüber, wie man sie vornehmen kann, hat meine Frau in dem Berichte des V. Internationalen Ornithologen-Kongresses, Berlin, in den "Zimmerbeobachtungen an seltener gehaltenen europäischen Vögeln" (APUSList No. 0465) beschrieben. Die jüngsten bringt man am besten in einer Halbhöhle unter und hält sie recht warm. Sie legen sich, wie junge Dohlen, fast bis zum Flüggewerden mit den Köpfen nach hinten und fahren bei jeder Berührung schnappend nach oben und rückwärts. Erwischen sie die Fingerspitze, so nehmen sie sie gleichsam lutschend in den Rachen, treiben es also so, wie sie es wohl sonst mit dem Kopf ihrer Eltern tun. Im Anfange hat das Füttern seine Schwierigkeit, so lange, bis der Mensch auf den Segler und der Segler auf den Menschen eingestellt ist, man tut daher zunächst gut, die das Futter haltende Greifzange so kurz zu fassen, daß sie nicht einen Storch-, sondern einen Seglerschnabel darstellt und die Tiere, während sie nach den Fingerspitzen schnappen, das Futter abnehmen müssen. Frische Ameisenpuppen und Mehlwürmer, untermischt mit kleinen Fleischstücken und später auch mit etwas Mischfutter, werden gut genommen und vertragen. Wie schon erwähnt, geht das Wachstum, im Vergleiche zu den Sperlingsvögeln, langsam vor sich, und zwar nicht nur bei künstlicher Aufzucht, denn auch draußen brauchen die Seglerkinder sechs Wochen bis zum Ausfliegen. In der letzten Zeit ihres Nestlebens drehen sie sich um, schauen heraus und wollen nicht mehr so recht Futter abnehmen; sie schnappen dann in eigentümlicher Weise umher, als ob sie in der Luft fliegende Kerbtiere fangen wollten. Dabei finden sie schließlich die beim Füttern ins Nest gefallenen Ameisenpuppen, die sie sich bald, und zwar ganz zielbewußt, zu Gemüte führen. Man ist recht verblüfft, wenn man sieht, daß grade diese Vögel, die ihre Nahrung doch sonst nur in reißendem Fluge erjagen, schon im Neste selbst fressen. Dasselbe tun allerdings auch Rauchschwalben und Wiedehopfe, nur geschieht es bei diesen in andrer Weise, d. h. sie picken wirklich, während die Segler tastend und meist mit geschlossnen Augen umherfahren. Schon beim Lutschen an der Greifzange und auch später, wenn sie selbständig aus dem Napfe fressen, ziehen sie das untre Augenlid nach oben. Ebenso wie die Eulen und vielleicht auch manche Falken sind nämlich die Segler nicht imstande, ihre Augen auf die nächste Nähe einzustellen und machen sie deshalb zu, wenn ihnen Dinge unter den verhältnismäßig fernliegenden Nahpunkt rücken, wohl um die Hornhaut beizeiten vor unliebsamen Berührungen zu schützen. Der Mensch macht es ja auch so, wenn die Annäherung zum scharfen Sehen zu groß wird, so z. B. beim Küssen. Der freilebende Segler erwirbt seine Beute offenbar in der Weise, daß er das Kerbtier von weitem sieht und darauf lossaust, ohne es bis zum letzten Augenblicke noch im Auge zu behalten, denn die Breite seines Rachens gewährleistet ihm den Fang, auch wenn das Beutetier etwas seitlich abbiegt, Natürlich fliegt der Vogel nicht etwa mit aufgesperrtem Schnabel in der Luft umher, ebensowenig wie der Ziegenmelker, sondern beide öffnen ihr Maul erst dann, wenn es etwas zu packen gibt.

Die längste Handschwinge wuchs bei 4-5 wöchigen Nestjungen täglich ungefähr 6 mm; mit einer Flügellänge von 160 mm verlassen sie, vollkommen flugfähig, das Nest und haben dann auch ihr Endgewicht von etwa 40-43 g erreicht. Bei Spätbruten wird wohl gleich nach dem Ausfliegen die Winterreise angetreten, und daher müssen die flüggen Seglerkinder auch fast erwachsne Schwingen und eine voll leistungsfähige Brustmuskulatur haben. Es ist dabei auffallend, daß sich diese Muskeln so kräftig entwickeln, auch ohne daß sie vorher wesentlich gebraucht wurden, denn in der engen Nisthöhle haben die Tiere ja häufig kaum Platz, ihre Flügel völlig zu entfalten; daß ein Fliegenlernen bei keinem Vogel nötig ist, hatten wir früher schon erwähnt, ebenso bei der Bachstelze die Tatsache, daß die Nestlinge bei ihren Flatterübungen schon den artgerechten Flug erkennen lassen. Beim Segler fällt es ganz besonders auf, daß ein Junges, das bisher kaum den Himmel über sich und seine Eltern nie fliegen gesehen hat, plötzlich gleich stundenlang im Luftmeere rudern muß und kann. Hält man die Tiere dann wochen- und monatelang, in Gefangenschaft, wo sie natürlich nur verhältnismäßig wenig fliegen können, so bildet sich ihre anfangs sehr volle Brust bald zurück, und man bekommt seine Pfleglinge, auch wenn sie sonst sehr gut imstande sind, nicht über etwa 33 g hinaus. Sie haben also 10 vorher richtig ausgebildeten Fleisches durch Nichtgebrauch verloren. Bei Vögeln mit weißen Brustmuskeln,

also Hühnern und Steißhühnern, tritt diese Rückbildung, nicht ein, diese nur selten fliegenden Formen müssen eben auch ohne Übung ihre Flugfähigkeit behalten können

Die Pflege eines Seglers macht wegen seiner Unbehilflichkeit viel Arbeit, wenn er gut im Gefieder und lebhaft bleiben soll. In einem Käfige kann man ihn natürlich nicht halten. Meine Frau hat das von uns erfundne "Seglerheim" im Kongreßberichte genau beschrieben: es ist im wesentlichen ein innen an drei Seiten mit Tüll bespannter Kasten, der oben mit einem Drahtschieber und vorn mit einer Glasscheibe verschlossen ist. In einer Ecke ist in dreiviertel der Höhe, sodaß also das fressende Tier nicht mit Schwanz- und Flügelspitzen unten aufstößt, eine Art Pult angebracht, in dessen Oberfläche Wasser- und Futternapf eingelassen sind, so wie sonst bei Schreibpulten das Tintenfaß.

Natürlich muß man solch einem sonderbaren Stubengenossen auch Bewegung verschaffen. Läßt man ihn im Zimmer frei, so wird er an der Decke umherkreisen und sich schließlich irgendwo anhängen wollen. Nach einigen Mißgriffen im eigentlichsten Sinne des Wortes wählt er einen Fenstervorhang, an dem er sich dann festhängt. Nun kann man ihn recht gut abrichten, zum Ausruhn stets einen ganz bestimmten, für ihn hingehängten Stoffstreifen zu nehmen, unter den man der Reinlichkeit halber Zeitungspapier legt. Man braucht den Vogel eben nur immer wieder von allen andern Punkten zu verjagen, dann merkt er schließlich, daß er nur dort sicher ist, wo der Pfleger ihn hinhaben will. Frei im Zimmer werden die Jungaufgezogenen meist etwas scheu, da sie das Erfaßtwerden nicht lieben, man muß sie nämlich zum Zurückbringen in ihr Behältnis natürlich immer greifen, und das mögen sie nicht. Bei der Flugausdauer eines solchen Vogels hat sich sein Besitzer übrigens recht mit Geduld zu wappnen, bis es ihm glückt, ihn wieder zu erwischen.

Besondre Sorgfalt muß man, wie bei all den Vögeln, die viel fliegen, deren Beine also nicht auf dauernde Belastung eingerichtet sind, den Füßen zuwenden. Unser erster Segler, den wir fast ein Jahr lang pflegten, hatte gesunde Füße, da er sich zum Schlafen auf den Boden seines Behältnisses legte. Ein zweiter kommt hier nicht in Betracht, denn er entflog uns nach vier Monaten. Bei einem dritten entzündeten sich die Zehen nach einem halben Jahre, und er verlor schließlich die Krallen, sodaß er nicht mehr imstande war, sich festzuhäkeln. Dieses Stück hing, tagaus, tagein und selbst nachts immer an dem Tüllstoffe, sodaß die Füße wohl überanstrengt

waren.

H a r t e r t sagt kurz und treffend: "Es ist ein Irrtum, daß gesunde Mauersegler sich nicht vom flachen Erdboden erheben können", und wir verstehn deshalb nicht, daß es immer wieder Leute gibt, die diese doch völlig erwiesne Tatsache überhaupt noch anzweifeln. Wenn ein Segler nicht vom Fußboden auffliegen kann, so ist er eben krank oder verletzt, und grade solche Stücke sind es fast immer, die der Laienbeobachter in die Hände bekommt; die so häufigen, durch Anprall in der Luft hervorgerufnen Gabelbeinbrüche und Brustmuskelquetschungen sind nämlich am lebenden Tiere kaum festzustellen. Selbst unsern jungaufgezognen, also doch gar nicht fluggeübten, machte es keine Schwierigkeit, sich vom glatten Fußboden zu erheben und sogar in einem nicht sehr großen Zimmer rasch in die Höhe zu kommen, sodaß sie schon nach einer halben oder ganzen Runde unmittelbar unter der Decke kreisten. Sie schieben sich mit meist hochgestelltem Schwanze nach vorwärts, tun ein paar Flügelschläge auf die Unterlage und sind dann in der Luft.

Ein Segler hat sicherlich für die Vogelzugforschung viel geleistet. Wir beringten nämlich beide, ehe wir sie am 17. Juli 1918 vom Dache des Aquariums aus, wo sie vorher nie gewesen waren, fliegen ließen, hatten aber aus irgendeinem Grunde leider nur die Ringnummer des einen aufgeschrieben. Nun kam aus Spandau über Freund T h i e n e m a n n die Nachricht, daß dort am 9. Mai 1920 eine "Schwalbe" in einem Badezimmer gegriffen und dann wieder freigelassen sei, die eine Ringnummer trug, die der von uns aufgeschriebnen sehr benachbart war, denn sie stammte aus dem Satze der von uns verwendeten Zahlen, und der Ring hatte die Drosselweite, die für eine wirkliche Schwalbe viel zu groß ist; es besteht also wohl kein Zweifel, daß er dem Segler mit der vergeßnen Nummer angehörte. Daraus geht hervor, daß sich unser in Braunschweig geborner, jungaufgezogner Pflegling nicht nur sofort draußen zurechtfinden und ernähren konnte, sondern daß er auch dahin wieder zurückgekehrt ist, wo er gewissermaßen das Licht der Welt, d. h. das Freie, erblickt hatte, denn dieser Braunschweiger mußte natürlich Berlin für seine Heimat halten. Spandau, das ja jetzt auch zu Großberlin gehört, liegt etwa 10 km vom Auflassungsorte, was für einen Segler doch nur eine winzige Entfernung bedeutet.

(Printed 1924 in Die Vögel Mitteleuropas, Band 1.)
©APUSLife 1998, No. 0242

 

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