Dieser Beitrag wurde von Frau
Hilde Matthes verfasst. Frau Matthes hat einige Jahre in der
Mauersegleraufzuchtstation in Frankfurt am Main, die von der Deutschen
Gesellschaft für Mauersegler e.V. unterstützt wird, ehrenamtlich
gearbeitet und mehrere hundert Mauerseglerjunge groß gezogen. Inzwischen
arbeitet sie nur noch privat und verhilft jährlich zwischen 20 bis 30
aus dem Nest gefallenen Jungeseglern dazu, zu gesunden Mauerseglern
heranzuwachsen. Im Juli/August werden sie in die Freiheit entlassen.
Hilde Matthes:
Die
Handaufzucht von Mauerseglern
Mauersegler sind für die
Handaufzucht besonders schwierig und für Laien nicht geeignet, daher
sollten sie immer an erfahrene Leute abgegeben werden.
Die Haltung der Mauersegler
Mauersegler gehören nicht in
einen Käfig, da sie sich beim Klettern die langen Flügelfedern
abbrechen, die sie bei ihrem späteren Dauerflug unbedingt benötigen. Man
hält sie am besten in einem halbgeschlossenen Plastikkasten, der
mindestens 30 cm lang, 20 breit und 15 cm hoch sein sollte. Diesen legt
man mit Küchenpapier aus. Mehrmals täglich sollte man auf die frischen
Kothäufchen Toilettenpapier legen, damit der Boden trocken bleibt. Falls
die Vögel ihre Flügelübungen machen, verkleben die Flügelfedern nicht
und auch die anderen Federn bleiben sauber. Einmal täglich ist die Kiste
gründlich zu säubern und neu auszulegen. In einer dunklen Ecke des
Kastens steht eine Nestmulde aus Kork oder Holz, notfalls geht auch eine
Glasschale, die mit einem weichen Tuch eingewickelt sein muss.
Die
Pfleglinge werden in einen halbgeschlossenen Behälter von etwa 30 x 20 x
15 cm gehalten. Foto: Meierjürgen
Ein einzelner Jungsegler ist
im Nest häufig still. Sind jedoch zwei oder drei Jungsegler zusammen im
Nest, „putzen“ sie sich häufiger und es ist fast ohne Unterbrechung ein
leiser Stimmfühlungslaut zu vernehmen, der sich wie leises „Säuseln“
anhört. Nach dem Füttern hört das „Säuseln“ manchmal kurzfristig auf,
nimmt aber nach einiger Zeit und mit zunehmendem Hunger an Lautstärke
wieder zu. Nähert sich der Tag des Abfluges, hört das „Säuseln“ bei
allen nach und nach auf.
Mauersegler auf dem Nest
fahren häufig mit ihrem Schnabel durch das Kehlgefieder des Partners. Es
hat eine beschwichtigende Wirkung. Bei der Handaufzucht imitiere ich
dieses Verhalten. Durch vorsichtiges Kraulen an der Kehle kann man einen
aufgeregten Vogel beruhigen und schafft außerdem Vertrauen zwischen ihm
und dem Pfleger.
Vorsichtiges
Kraulen an der Kehle beruhigt den Mauersegler. Foto: G. Kaiser
Das Futter
Mauersegler sind
Insektenfresser und füttern ihre Jungen mehrmals täglich. Die
Futterballen bestehen aus ganz verschiedenen Insekten und ich versuche,
so nah wie möglich an der Natur zu bleiben. Das bedeutet, dass ich jedes
Junge sieben Mal täglich mit möglichst verschiedenen
Nahrungsbestandteilen füttere.
Ich verwende folgende
Futtermischung (berechnet für etwa drei - sechs Wochen alte
Jungesegler):
- 2 (3) Heimchen/Grillen (1-2
cm groß)
- 3 (4) Drohnen
- ½ Wachsmottenlarve
- einige Pinkies
- 1 eingeweichte Beo-Perle
(Fa. Vitakraft)
- Fliegen
- 1/8 Teelöffel
Insektentrockenfutter (immer ohne Sojaöl, z.B. Fa. Aleckwa)
Dazu gibt es einmal täglich
eine Prise Korvimin (für Ziervögel).
Brot, Mehlwürmer,
Regenwürmer oder Körner dürfen nicht verfüttert werden. Sie
verursachen sofortigen Tod oder Fehlbildungen der Federn, wodurch
der Vogel sein Flugpensum von 24 Stunden am Tag nicht mehr
bewältigen kann und eingeschläfert werden muss. |
Die Heimchen/Grillen, Pinkies
sowie Wachsmottenlarven werden in einem Zoofachgeschäft gekauft bzw. im
Tierfutterversandhandel tief gefroren bestellt und vorrätig gehalten;
die Drohnen gibt es beim Imker. Die Fliegen werden als Maden gekauft und
in einem Behälter nach und nach zu Fliegen herangezogen.
Die Zubereitung der Mahlzeiten
Zunächst müssen die Hände mit
Sterillium gesäubert werden.
Pro Fütterung wird die
Mahlzeit frisch zubereitet. Eine Beoperle benötigt 30-60 Minuten
Aufweichzeit.
Das Insektentrockenfutter wird
gründlich nach gefährlichen Fremdstoffen, wie Steinchen, Muscheln,
Ästchen usw. durchsucht. Das gereinigte Insektenschrot und die tief
gefrorenen Bestandteile taue ich in warmem Wasser auf und lasse sie
durch ein feines Sieb abtropfen. Danach lege ich die Teile auf einen
Teller. Sollte eine Grille übel riechen, ist sie verdorben und darf
nicht verfüttert werden. Allzu borstige Grillenbeinchen sollten vor dem
Füttern entfernt werden, weil sie Verletzungen im Schlund verursachen
können. Die weißen Drohnen zerdrücke ich; mit der austretenden
Flüssigkeit wird das Trockenfutter gebunden.
Falls ein oder zwei
Bestandteile fehlen, ist das kein großer Nachteil und die Aufzucht wird
ebenfalls klappen. Drohnen, Heimchen und Insektentrockenfutter sollten
jedoch immer Hauptbestandteil der Nahrung sein. Wasser braucht nicht
zusätzlich verabreicht zu werden.
Zum Füttern
legt man dem Vogel locker ein Tuch um, damit das Gefieder nicht
beschmutzt wird. Foto: Meierjürgen
Das Füttern
Zum Füttern lege ich
vorsichtig ein Stofftaschentuch um den Vogel und halte ihn mit der
linken Hand. Ein Verschmutzen oder Verkleben der Federn mit
Nahrungsteilen muss unbedingt vermieden werden. Dann öffne ich mit einem
Fingernagel der rechten Hand vorsichtig den Schnabel und schiebe den
Zeigefinger der linken Hand zum sanften Offenhalten zwischen Ober- und
Unterschnabel. Das muss ganz vorsichtig geschehen, damit der Schnabel
nicht gebrochen oder gebogen wird, er ist bei Mauerseglern nämlich ganz
dünn und weich.
Mit dem
Fingernagel öffnet man vorsichtig den weichen Schnabel. Foto:
Meierjürgen
Mit einer abgerundeten
Pinzette (beim Tierarzt besorgen) führe ich dann mit der rechten Hand
die verschiedenen Nahrungsteile nach und nach vorsichtig tief in den
Schlund ein. Wird die Nahrung nicht tief genug eingeführt, kann der
Jungsegler sie auswürgen oder mit einer Schüttelbewegung des Kopfes
wieder hinausschleudern.
Der Schnabel
wird vorsichtig mit dem Zeigefinger offen gehalten. Mit einer Pinzette
wird das Futter tief in den Schlund gesteckt. Foto: Meierjürgen
Falls ein Jungvogel sehr
hungrig ist, gebe ich kleine Zwischenmahlzeiten.
Wenn ein Mauerseglerjunges
ganz kraftlos gebracht wird, muss es langsam angefüttert werden,
zunächst nur ein oder zwei Drohnen und nach einer Stunde erneut zwei
oder drei Drohnen. Jetzt muss man notfalls bis in die Nacht hinein
füttern. Nach und nach wird die Zusammensetzung dem oben erwähnten
Beispiel angepasst. In solch schwierigen Fällen hilft zusätzlich bei
jeder Fütterung ein Tröpfchen Flüssigkeit (1/2 Amynin +1/2 Wasser) aus
einer Spritze (ohne Nadel).
Sollte sich ein Jungvogel am
Finger ansaugen, erleichtert das die Fütterung, indem man mehrere Teile
schnell hintereinander in den Schlund schieben kann.
Soweit wie irgend möglich,
entwurme ich die Segler nicht, damit sie
wildbahnfähig bleiben und
möglichst wenig Chemie verarbeiten müssen.
Gewichtskontrolle
Die tägliche Gewichtskontrolle
gibt mir Auskunft über den Fütterungserfolg und den Gesundheitszustand.
Es ist gut, wenn ein Mauersegler zwischenzeitlich einige Tage über 50
Gramm wiegt - zum Abflugtag hin nehmen sie meist ab und wiegen dann
ungefähr zwischen 40 g und 45 g.
Das tägliche
Wiegen gibt Auskunft über den Ernährungszustand des Pfleglings. Foto:
Meierjürgen
Das Freilassen
Wenn die langen Federn der
Flügel innen keinen Rest von den weißen Federspulen mehr haben, ist die
Zeit zum Freilassen gekommen. Die Flügelfedern sind dann etwa 16 cm lang
und ragen etwa 3,5 cm über die Schwanzfedern hinaus. Flugübungen in der
Wohnung sind unnötig, die Jungvögel trainieren immer ihre Flugmuskeln
selbständig, indem sie heftig mit den Flügeln schlagen oder auch
„Liegestütze“ durchführen, bei denen sie die Brustmuskulatur trainieren.
Dazu können sie ihren Körper mit den Flügeln sehr hoch drücken, dass es
aussieht, als würden sie fast auf dem Kopf oder auch auf dem Schwanz
stehen.
Zum Freilassen wählt man am
besten eine nicht zu kleine Rasenfläche oder eine gemähte Wiese, damit,
falls etwas schief gehen sollte, der Vogel weich landet und man ihn
wieder finden kann. Beim Start brauchen die Mauersegler etwas Freiraum
und etwas Höhe. Eine kleine Leiter ist ausreichend. Es ist angebracht,
auch nach Falken Ausschau zu halten, um dem Mauerseglerjungen einen
ersten, sicheren Flug zu ermöglichen.
Auf der Leiter stehend setzt
man den Segler auf die offene Hand und lässt ihm eine Weile Zeit, um
sich zu orientieren. Meist kotet er zum Abschied noch einmal und fliegt
nach einigen Minuten problemlos fort. Schön ist es, wenn man ihn mit den Augen oder dem
Fernglas bis hoch in die Wolken verfolgen kann! Sollte sich der Kandidat
aber auf der Hand festkrallen oder gar rückwärts kriechen, ist es
noch zu früh für den großen Start und man muss ihn wieder mitnehmen und
es ein oder zwei Tage später erneut versuchen. Den Vogel niemals werfen!
Der Jungvogel
ist fertig zum Ausfliegen. Das Gefieder ist gleichmäßig gewachsen und
weist keine Verschmutzungen auf. Foto: Meierjürgen
Am Abflugtag sollte kein
Dauerregen angesagt sein. Sonniges Wetter bis Frankreich und Spanien
wäre gut, da sie meist sofort Richtung Afrika fliegen.
Mauersegler haben in der Natur
keine Führungszeit, sind sie einmal ausgeflogen, fliegen sie perfekt wie
die Alten und schaffen den Rest allein.
Ein Wiederfund
Besonders gefreut hat mich,
dass einer „meiner“ Mauersegler von 2004 im Jahr 2005 in Kronberg im
Taunus wieder gefangen wurde. Ich lasse meine Handaufzuchten immer
beringen und dieser Vogel wurde zu wissenschaftlichen Zwecken bei der
Wohnungssuche gefangen und an Hand seiner Ringnummer als mein Pflegling
bestätigt. (Mehr Informationen demnächst hier.)
Der Wiederfang bedeutet, dass
die Handaufzucht vollständig geglückt ist. Das ist insbesondere aus dem
Grund bemerkenswert, weil Mauersegler - wie erwähnt - recht schwierige
Ziehkinder sind und schnell Missbildungen bei Federn auftreten, bzw.
Federn abgeworfen werden. Die hier vorgestellte Futtermischung ist also
ein Nachweis dafür, dass sie vollkommen sicher ist und ohne Bedenken
angewandt werden kann.
Nachdem der
Pflegling sich einen Eindruck von der Umgebung verschafft hat, fliegt er
davon. Foto: G. Kaiser
© APUSlife No. 3052
ISSN 1438-2261
Weitere Informationen:
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